Hundehaltung und Hundeverhalten

Hund und Mensch im Alltag: So vermeiden Sie Gefahren

American Staffordshire Terrier
Für manche Hunderassen gilt eine generelle Maulkorbpflicht. © Foto: JSeay / GNU

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Die Verunsicherung beim Thema Hunde ist groß – sowohl unter den Haltern als auch in der restlichen Bevölkerung. Kein Wunder, gibt es doch fast täglich neue Schreckensnachrichten, seien es Vorfälle über Hundebisse oder Ankündigungen wie die einer „Aktion scharf“ gegen Halter so genannter Listenhunde. In der allgemeinen Verwirrung zeigt nun die Tierschutzorganisation Vier Pfoten, worauf es bei einem sicheren Umgang mit Hunden wirklich ankommt. Gemeinsam mit der tierschutzqualifizierten Hundetrainerin und Verhaltensbiologin Ursula Aigner, die auch Prüferin für den Wiener Hundeführschein ist, geben die Tierschützer einfache, aber hilfreiche Tipps, wie man im Alltag am besten Gefahren vermeiden kann.

Tipp 1: Maulkorbtraining

Grundlage für ein effizientes Verhaltensmanagement ist immer das belohnungsorientierte Training. Ganz wichtig ist das entsprechende Training mit dem Maulkorb, besonders seit Einführung der Beißkorbpflicht für so genannte Listenhunde in Wien. „Viele Hunde fühlen sich durch den angelegten Maulkorb verunsichert oder eingeschränkt. Sie sind es einfach nicht gewohnt, den Maulkorb im Gesicht zu spüren. Hier ist es besonders wichtig, das Tragen des Maulkorbs mit Lob und Futterbelohnungen zu üben, damit sich der Hund möglichst wohl fühlen kann. Mit einem positiven Training kann der Hund lernen, dass damit auch Angenehmes verbunden sein kann.“ Das braucht ein bisschen Geduld und auch Geschick (etwa um Leckerlis durch den Maulkorb zu stecken), ist aber ganz wichtig, um den Hund ganz grundsätzlich entspannt durch öffentliche Bereiche zu führen.

Tipp 2: Vorausschauendes Spazierengehen: Hunde aus Stresssituationen „retten“

Was kann ich tun, wenn mein Hund bei der Begegnung mit anderen Hunden oder auch Menschen bellt bzw. aufgeregt oder gar aggressiv reagiert? „Ich muss meinem Hund nicht jede Begegnung zumuten. Ich kann z.B. rechtzeitig die Straßenseite wechseln, wenn ich sehe, dass ein anderer Hund entgegenkommt“, erklärt Ursula Aigner. Wichtig dabei ist, ruhig und gelassen rechtzeitig auszuweichen, den Hund zu loben und zu belohnen. Das funktioniert übrigens auch bei ganz klassischen Konfliktsituationen wie beim Aufeinandertreffen von Hunden mit Radfahrern, Joggern etc. wunderbar: Hunde merken, dass ihr Mensch gemeinsam mit ihnen überfordernden Situationen aus dem Weg geht und ihnen damit Sicherheit vermittelt. So lernen sie, den Entscheidungen ihrer Besitzer zu vertrauen. Damit sinkt mit der Zeit der Stress in solchen Begegnungen - für Hund und Mensch.

Tipp 3: „Splitten“ heißt das Zauberwort

Wenn zwei Hunde oder Menschen zu nahe beieinander sind, könnte das aus Sicht des Hundes in einen Konflikt münden. Um dies zu vermeiden, versuchen manche Hunde, zu „splitten“, sich also zwischen Hunde oder Menschen zu stellen. Man kennt das von Umarmungen von Menschen, bei denen Hunde dazwischen springen: Das wird von uns dann oft als „Eifersucht“ oder gar „Dominanz“ fehlinterpretiert. In Wahrheit versuchen sie spontan, einen vermeintlichen Konflikt zu lösen.

Wichtig für das Training ist: Ich kann das Splitten auch als Hundehalter gut nutzen. „Wenn ich eine potenzielle Stresssituation für meinen Hund sehe, kann ich meinen Hund so herausführen, dass ich letztendlich helfend dazwischen stehe“, erklärt Ursula Aigner. „Damit trage ich zur Lösung schon viel bei, und der Hund fühlt sich nicht mehr so verantwortlich.“ Anwendbar ist dies in ganz vielen Alltagssituationen, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln: Indem sich ein Halter in ein ruhiges Eck zwischen den Hund und den Rest der Passagiere stellen, kann er die Situation für das Tier angenehmer machen.

Tipp 4: Beschwichtigungssignale des Hundes erkennen

Immer wieder kommt es vor, dass Halter die Bedürfnisse ihrer Hunde schlicht nicht kennen. Dazu kommt, dass sie hündische Verhaltensweisen nicht verstehen. „Ein Hund kommuniziert ständig über seine Körpersprache. Wenn ich das Ausdrucksverhalten des Hundes lesen kann, erkenne ich auch, wann er Stress hat. Das sind zuerst „leise“ Beschwichtigungs-Signale wie Kopf-Wegdrehen, Über-die-Lippen-Lecken, Ausweichen-Versuchen bis hin zum Erstarren. Wenn wir diese Signale überhören, dann kommen erst die „lauten“ Signale wie Knurren, Lefzen hochziehen und letztendlich Schnappen oder gar Beißen. Wichtig ist zu wissen: Ich kann laute Signale verhindern, indem ich schon auf die leisen höre“, erklärt Ursula Aigner.

Rasse-Listen vermitteln ein falsches Bild

„Aggressivität ist kein Merkmal einer spezifischen Hunderasse“, erklärt Aigner. Ein Hund verhält sich immer nur in Kombination mit individuellen Umwelteinflüssen auffällig – häufig als Frustrations-, Angst- oder auch Schmerzreaktion gegenüber Menschen beispielsweise. Die Verantwortung für ein harmonisches und konfliktarmes Verhalten liegt also von Anfang an ganz klar beim Menschen.“

Daher macht auch die Klassifizierung in Listenhunde* wenig Sinn – auch wenn das gesetzliche Realität in Wien ist. Schließlich vermittelt diese Einteilung ein „Guter Hund - Böser Hund“-Bild, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Ursula Aigner bringt es auf den Punkt: „Unsachgemäßer Umgang kann bei jedem Hund zu auffälligen bis problematischen Verhalten führen. Das Problem bei schlecht sozialisierten und verhaltensauffälligen Hunden sitzt eigentlich so gut wie immer am anderen Ende der Leine.“

* Das sind: Bullterrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Mastino Napoletano, Mastin Espanol, Fila Brasileiro, Mastiff, Bullmastiff, Tosa Inu, Pitbullterrier, Rottweiler, Dogo Argentino

Info: Vier Pfoten

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